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Patientenportal

Fake News in der Medizin

19.02.2017

Sogenannte Fake News haben Hochkonjunktur. Leider wächst der Einfluss auch in der Medizin - mit teilweise schlimmen Folgen.

"Fake News", "Postfaktisch" oder "Alternative Fakten" sind Begriffe, die unsere aktuelle politische Diskussion derzeit mitprägen.

Gefühlte Wahrheiten und Fake News

Immer mehr Menschen fällt es leicht einfach Tatsachen zu ignorieren und gar offensichtliche Lügen zu akzeptieren. Nicht selten gegen besseres Wissen. In der Konsequenz führt im "postfaktischen Zeitalter" nicht das Aussprechen der tatsächlichen Wahrheit, sondern das der"gefühlten Wahrheit" zum Erfolg.

In direkter Verbindung dazu steht ein weiterer Begriff, die sogenannten "Fake News". Anders als bei den gefühlten oder nicht kommunizierten Wahrheiten handelt es sich dabei um Falschmeldungen, frei erfundene Nachrichten oder gezielt lancierte Lügen, die nicht nur wie gerne lanciert (!) in den sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter & Co, sondern in allen Medien verbreitet werden. Nicht selten handelt es sich dabei um als seriöse journalistische oder vermeintlich wissenschaftliche Beiträge kaschierte politische und wirtschaftliche Interessen oder einfach nur um Werbung.

Die Hochkonjunktur solcher Unwahrheiten versetzt die Politik in höchste Aufregung. Gegen die Verbreitung von Lügen sollen schärfere Gesetze verabschiedet, soziale Medien kontrolliert, bösartige "Faker" bestraft werden. Doch Halbwahrheiten, falsche Tatsachenbehauptungen und gezielte Desinformation sind im Kampf um persönliche Vorteile, politische Macht oder wirtschaftlichen Profit ein altbewährtes Mittel zum Zweck. Es ist deshalb nicht überraschend, dass auch in der Medizin "Fake News" und „Postfaktisches" Hochkonjunktur haben.

Für das Ärzteportal Univadis ist die zunehmende Verbreitung und die zunehmend gezielte Verwendung von Fake News und postfaktischen Kampagnen Anlass, in dem Artikel "Fake News haben Hochkonjunktur - auch in der Medizin" mit vielen Beispielen ausführlich auf dieses Thema einzugehen.

Angesichts der zunehmenden Bedeutung für die tägliche ärztliche und medizinische Arbeit möchten wir an dieser Stelle die wichtigsten Punkte kurz zusammenfassen und gleichzeitig die Lektüre des vollständigen, Online erschienenen Beitrags dringend empfehlen.

95 Prozent leere Versprechungen

"Die Bandbreite von Halb- und Unwahrheiten zu medizinischen Maßnahmen ist enorm und kaum richtig abzuschätzen. Sie reicht von unabsichtlich und in gutem Glauben publizierten Falschnachrichten über Scharlatanerie bis hin zu bösartig in die Welt gesetzten Lügen", sagt Prof. Gerd Antes, Direktor des deutschen Cochrane Zentrums am Universitätsklinikum Freiburg. "Das Internet und die sozialen Medien beinhalten vermutlich zu über 90 Prozent leere Versprechungen und falsche Aussagen".

Das Spektrum der Fake News reicht über alle Gesundheitsbereiche – von Ernährung und Diäten über Fitness und Psychotraining bis hin zu akuten und chronischen Krankheiten. Dubiose medizinische Versprechungen der jüngeren Zeit lassen sich daher schnell finden. Beispiele:

Das Geschäft mit Unwissen und Angst

Die Furcht vor Krankheit, der Wunsch nach Gesundheit, die Hoffnung auf Genesung sind natürliche menschliche Verhaltensweisen. Sie führen dazu, dass entsprechend formulierte Versprechungen weniger kritisch wahrgenommen und nur selten in Frage gestellt werden (Stichwort: "Klammern an einen Strohhalm"). Dieser Umstand ist die einfache, aber hoch effiziente Grundlage der Marketingstrategien kleinerer oder größerer Unternehmen.

Bietet man die gewünschte oder ersehnte Hoffnung als wissenschaftliche Meinung an, findet sie im Zeitalter des Internets zur rasanten Verbreitung, nicht selten verkürzt auf einen kurzen Beitrag mit dem Charakter eines eigenen oder bezeugten Erlebnisses ("Versuch doch mal …, das soll ja bei Herr oder Frau … geholfen haben").

Unwahre Behauptungen in der Medizin hat es immer schon gegeben, aber im Zeitalter des Internet sich die Verbreitung vereinfacht und so vervielfacht. Gleichzeitig ist sie lukrativer geworden. Die erzielten Gewinne sind fantastisch. Das Ergebnis ist ein wechselseitiges Aufrüsten. Die Verlierer sind Menschen mit nichts als Hoffnung.

Stilmittel Verzerrung

Eine Studie aus dem Jahr 2015 analysierte 219 Gesundheitsbehauptungen aus Medienberichten, die in den Jahren 2011 bis 2014 auf ihre Wahrheit hin überprüft wurden. 59,5 Prozent der Beiträge waren über- oder untertrieben, nur 10,8 Prozent korrekt. Die Autoren werteten dies als Indiz für Medienmanipulationen durch kommerzielle Interessen.

Fake News als Propaganda

Nicht nur Firmen und Geschäftemacher treiben mit Fake News ihr Unwesen - es gibt auch Propagandisten, die für ihre Überzeugungen mit Lügen werben:

Manipulierte und erfundene Forschungsergebnisse

So manche Lügenstory in der Wissenschaft hat ihren Ursprung auch beim einzelnen Forscher oder Forschungsteam selbst, wird publiziert in einer mehr oder minder honorablen Fachzeitschrift und verbreitet sich dann in Windeseile meist als medizinische Sensation verpackt über Publikumsmedien in die weite Welt der Nachrichten. "Painting the mice" – Mäuse anmalen – lautet das Synonym für Forschungsbetrug. Es geht zurück auf den New Yorker Dermatologen und Immunologen William T. Summerlin , der 1973 mit einem außergewöhnlichen Studienerfolg für ein riesiges Medienecho sorgte: Er habe mittels spezieller Behandlung in einer Organkultur die Haut einer schwarzen auf eine weiße Maus ohne Abstoßungsreaktion transplantieren können, und zwar ohne Immunsuppression. Später stellte sich heraus, dass Summerlin den schwarzen Rücken seiner weißen „Beweismaus" lediglich mit Filzstift eingefärbt hatte – alle seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden in der Folge als völlig wertlos eingestuft.

Lüge und Betrug in der Forschung haben ihre Ursache auch darin, dass der Druck gewachsen ist, schnellstmöglich greifbare Studienresultate und Veröffentlichungen in den internationalen Fachzeitschriften vorweisen zu können. Nur so fließen die entsprechenden Forschungsgelder. In renommierten Fachmedien werden laut Philipp Campbell , dem Chefredakteur der internationalen Fachzeitschrift „ Nature ", jedes Jahr dutzende Fälle von Forschungsbetrug entdeckt. Im Gleichschritt mit dem erhöhten Publikationszwang hat sich auch ein mehr als dubioser Geschäftszweig entwickelt: Vermeintliche Fachjournale publizieren gegen eine Gebühr wissenschaftliche Artikel ohne entsprechende Überprüfung.

Big Data

Neben der traditionellen Wissenschaft ist in den letzten Jahren als "Big Data" eine mächtige Bewegung entstanden, die die alten Werte von Wissenschaftlichkeit in Frage stellt. Im Namen der drei großen "V" für Volume, Velocity und Variety wird der Anspruch erhoben, dass die Auswertung von Daten sozialer Netzwerke, Fotos, Videos, MP3-Dateien, Blogs, Suchmaschinen, Tweets, E-Mails, Internet-Telefonie oder auch Sensoren intelligenter Geräte valide Ergebnisse liefert.

Gefühlte Wahrheiten erhalten in diesem Prinzip den selben Stellenwert wie Messergebnisse oder evaluierte Resultate. Korrelationen werden durch die Aufbereitung (Sammlung) wichtiger als Kausalität, Daten sind Rohstoff und Methode zugleich. Unsicherheit, Fehler und notwendige Studiengrößen werden nicht diskutiert. Grob vereinfacht, handelt es sich bei unkontrollierter Anwendung von Big Data um die im globalen Maßstab durchgeführte Realisierung der fälschlichen Annahme, dass das, was häufig behauptet wird, richtig sein müsse. Dieses Prinzip bietet sich im Zeitalter von Internet und "sozialen Medien" nicht nur an, es drängt sich geradezu auf. Das Resultat sind aber leider meist nur vermeintliche Wahrheiten, die auf bloßen Versprechungen, Glauben und anekdotischen "Beweisen" basieren.

Was kann man tun?

Mit etwas gutem Willen,kann man feststellen, dass die schiere Menge publizierter Fake News aus der Medizin zwar wächst, aber auch auf zunehmende Zweifel trifft. Dabei gilt der Grundsatz, dass je besser der Patient informiert ist, desto größer ist seine Bereitschaft, solche Nachrichten zu ignorieren. Besonders ablehnend stehen diesen Fake News Menschen gegenüber, die bereits vergeblich hohe finanzielle Beiträge in fehlgeschlagene Therapien investiert haben. Laufende Investitionen werden selten in Frage gestellt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Gros der "falschen" Versprechungen Leiden betrifft, die harmlos sind, von alleine verschwinden, nur periodisch auftreten oder sehr vage formuliert werden (... müde Beine, Unwohlsein, lustlos etc.). Hier fällt es naturgemäß leicht, entsprechende (falsche) Korrelationen anzunehmen.

Im Internet existieren mehrere unabhängige Initiativen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Wahrheitsgehalt von Online-News zu prüfen. Zwei solche Initiativen sind:

  1. "Mimikama" , ein Verein gegen Internetmissbrauch, der auch die auf Facebook betriebene Seite ZDDK ("Zuerst denken – dann klicken") betreibt
  2. Das Cochrane-Angebot "Medizin-Transparent.at", das Patienten, Ärzte und Entscheidern im Gesundheitswesen im deutschsprachigen Raum beim kritischen Hinterfragen von Gesundheitsbehauptungen hilft.

Die beste Möglichkeit, verantwortungsbewusst mit Erkrankungen umzugehen, bleibt aber nach wie vor die gute Zusammenarbeit mit einem Arzt Ihres Vertrauens.

Quellen:



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